Top-5-Listen>Dermatologie und Venerologie (2020)

Dermatologie und Venerologie

Die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie gibt die folgenden fünf Empfehlungen ab:

1) Eine antimykotische Systembehandlung bei Nagelpilzverdacht nur bei Pilznachweis durchführen.

Eine Onychomykose wird meistens durch Dermatophyten (häufig Trichophyton rubrum und Trichophyton interdigitale) verursacht. Diese sind in der Regel gegenüber Standardbehandlungen mit Azolderivaten und Terbinafin sensibel, gegenüber Terbinafin wurden jedoch bereits Resistenzen beschrieben. Zusätzlich kann ein Nagelpilz auch durch Nicht-Dermatophyten wie Hefe- (Candida spp.) und Schimmelpilze (z.B. Fusarium spp. und Aspergillus spp.) entstehen. Während Hefepilze nur auf Azolderivate ansprechen, sind
Schimmelpilze einer systemischen antimykotischen Standardbehandlungen nicht zugänglich. Schliesslich können zahlreiche weitere Ursachen (z.B. Psoriasis, Lichen ruber, vaskuläre Insuffizienz, mechanische und chemische Irritationen etc.) zu dystrophen Nägeln führen. Um unnütze Therapien sowie das Risiko von medikamentösen Nebenwirkungen zu reduzieren, sollte deswegen vor einer antimykotischen Therapie die Pilzdiagnose mikrobiologisch bestätigt werden.

 

Referenzen

Ameen M et al: British Association of Dermatologists' guidelines for the management of onychomycosis 2014. Br J Dermatol. 2014; Hasche EG et al: Onychomykose: Konzepte für die Praxis. Hautarzt 2018;69:718-725; 171:937-958; Monod M et al: Recent Findings in Onychomycosis and Their Application for Appropriate Treatment. J. Fungi 2019;5.

2) Entzündliche Dermatosen primär mit topischen und nicht mit systemischen Kortikosteroiden behandeln.

Grundsätzlich kann zwar der kurzfristige Einsatz systemischer Kortikosteroide schwere Symptome lindern, allerdings droht nach deren Absetzen nicht selten ein rasches Rezidiv oder sogar eine Verschlechterung (sogenannter Reboundeffekt). Eine Langzeitbehandlung mit systemischen Kortikosteroiden kann unter Umständen schwerwiegende kurz- und längerfristige Nebenwirkungen verursachen. Ausnahmen von dieser Regel können schwere Arzneimittel- und anaphylaktische Reaktionen sowie generalisierte oder therapieresistente Dermatosen sein.

 

Referenzen

Sidbury R et al: Guidelines of care for the management of atopic dermatitis: section 3. Management and treatment with phototherapy and systemic agents. JAAD 2014;327-349; Kolios AG et al: Swiss S1 Guidelines on the Systemic Treatment of Psoriasis Vulgaris. Dermatology 2016;232:385–406; Ständer S et al: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus 05/16; Manousaridis I et al: Individualizing treatment and choice of medication in lichen planus: a step by step approach. J Dtsch Dermatol Ges. 2013;11:981-991; Brockow K: Arzneimittelreaktionen vom Soforttyp. Haut-arzt 2014;656:409-414; Ziemer M: Kutane Arzneimittelreaktionen vom Spättyp. Hautarzt 2014;65:397-408; Kuhn A et al: S2k guideline for treatment of cutaneous lupus erythematosus – guided by the European Dermatology Forum (EDF) in coop-eration with the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV). J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31:389–404; Feliciani C et al: Management of bullous pemphigoid: the European Dermatology Forum consensus in collaboration with the European Academy of Dermatology and Venereology. Br J Dermatol. 2015;172:867-877.

3) Serologische Testungen zur Diagnostik von Herpessimplex- Virus-Infektionen der Haut vermeiden.

Positive serologische Reaktionen sind meistens Ausdruck einer chronischen Infektion, dies ist bei einem Grossteil der Bevölkerung der Fall. Bei einer primären akuten Infektion kann der Antikörpertiter hingegen noch falsch negativ ausfallen. Bei lokalen Rezidiven sind in der Regel weder IgM-Antikörper noch nennenswerte Anstiege der IgG-Antikörper nachweisbar.

 

Referenzen

Gross G: Herpes-simplex-Virusinfektionen. Hautarzt 2004;55:818-830.

4) Bei dermatochirurgischen Eingriffen die Antikoagulation in der Regel nicht absetzen.

Das Blutungsrisiko ist bei Hauteingriffen, inklusive einfachen Lappenplastiken, generell klein, und es existieren keine Berichte über lebensgefährliche Blutungen. Die Gefahr thromboembolischer und  thrombotischer Komplikationen nach Ab- oder Umsetzen von Thrombozytenaggregationshemmern
und Antikoagulanzien ist deswegen in der Regel höher zu gewichten als ein blutungsbedingtes Operationsrisiko. Die wissenschaftliche Datenlage unterstützt dieses Vorgehen insbesondere bei einer Monotherapie mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern. Bei kombinierten, mit erhöhtem Blutungsrisiko assoziierten Therapien (beispielsweise ASS und Clopidogrel) sowie bei den diesbezüglich weniger gut untersuchten neueren oralen Antikoagulantien (Faktor-Xa-Hemmer) ist ein individuelles und risikoadaptiertes Vorgehen in Absprache mit Gerinnungsspezialisten erforderlich.
Erwähnenswert ist, dass die frühere Technik des «Bridgings» von oraler Antikoagulation auf Heparin das Blutungsrisiko sogar erhöht. Die wissenschaftlichen Fakten zeigen also, dass in den meisten Situationen die Antikoagulation für einen hautchirurgischen Eingriff nicht unterbrochen werden muss. In Ausnahmefällen («grosse Chirurgie») muss individualisiert vorgegangen werden.

 

Referenzen

Palamaras I et al: Perioperative management of and recommendations for antithrombotic medications in dermatological surgery. Br J Dermatol 2015;172:597-605; Callahan S et al: The management of antithrombotic medication in skin sur-gery. Dermatol Surg 2012;38:1417-1426; Siegal D et al: Periprocedural heparin bridging in patients receiving vitamin K antagonists: systematic review an meta-analysis of bleeding and thromboembolic rates. Circulation 2012;126:1630-1639; Koenen W et al: Prospective multicentre cohort study on 9154 surgical procedures to assess the risk of postoperative bleeding - a DESSI study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31:724-731.

5) Bei Hauteingriffen ohne zusätzliche Risikofaktoren auf perioperative Antibiotikaprophylaxe verzichten.

Das Risiko von Wundinfektionen bei dermatologischen Interventionen ist im Allgemeinen gering. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe muss insbesondere bei bei kontaminierten resp. infizierten Wunden sowie bei gewissen Risikofaktoren evaluiert werden. Bei Lappenplastiken an gewissen Lokalisationen wie beispielsweise an der unteren Nasenhälfte, den Lippen, am Ohr, in der Leistenregion, am Unterschenkel und am Fuss reduziert eine antibiotische Prophylaxe das chirurgische
Wundinfekt-Risiko. Dies gilt auch für zweizeitige Eingriffen, ulzerierte oder verkrustete Hautbefunde. Bei Immunsuppression im Rahmen von Medikamenten, systemischen Erkrankungen und Malnutrition, wird ebenfalls eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen. Ein weiterer Grund dafür können Infektionen an
anderen Lokalisationen oder MRSA/MSSA-Träger sein. Zusätzlich erfordert ein hohes Endokarditisrisiko (mechanische Herzklappenprothesen, St. n. Endokarditis, gewisse kongenitale Herzvitien) bei Schleimhauteingriffen und Eingriffen an kontaminierten Hautbefunden eine spezifische Prophylaxe.

 

Referenzen

Barbieri JS et al: Use of Antibiotics for Dermatologic Procedures From 2008 to 2016. JAMA Dermatology 2019;155:465-470; Liu X et al: Risk Factors for Surgical Site Infections in Dermatological Surgery. Acta Derm Venereol 2018;98:246-250; Saleh K et al: Surgical site infections in dermatologic surgery: etiology, pathogenesis, and current preventative measures. Dermatol Surg. 2015;41:537-49; Lammer J et al: Perioperative Antibiose in der Dermatochirurgie – Stand 2019. Hautarzt 2019;70:842-849.

Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV)

www.derma.ch

Zur Entstehung dieser Liste

Innerhalb des Vorstandes sowie der Arbeitsgruppe «Kommunikation und Strategie» der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) wurden mögliche Ansätze und Erfahrungen aus unserer Praxis für die Entwicklung einer Top-5-Liste zusammengetragen. Diese haben wir mittels medizinischer Literatur geprüft und untermauert. Die Mitglieder der SGDV wurden anschliessend via elektronische Umfrage gebeten, ihre Rückmeldungen und Kommentare abzugeben. Die finalisierte Liste wurde schliesslich vom Vorstand der SGDV überprüft und genehmigt. Diese Top-5-Liste enthält lediglich Empfehlungen, deren Gültigkeit im Einzelfall und regelmässig zu prüfen ist.