Top-5-Listen>Gynäkologie und Geburtshilfe (2022)

Gynäkologie und Geburtshilfe

Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) gibt die fünf folgenden Empfehlungen ab:

1) Keine routinemässige Antibiotikagabe bei unkomplizierter Blasenentzündung und asymptomatischer Bakteriurie.

 

Die weltweite Zunahme der Antibiotikaresistenzen ist ein grosses Problem, weshalb Antibiotika möglichst sparsam eingesetzt werden sollten. Die Spontanheilungsrate einer unkomplizierten Harnwegsinfektion (HWI) ist mit 50–70 % hoch und nur 1–3 % der HWIs gehen unbehandelt in eine Pyelonephritis über. Ein unkomplizierter HWI mit Dysurie, Pollakisurie und suprasymphysären Schmerzen bedarf keiner Diagnostik und kann empirisch behandelt werden: viel trinken (spülen) und NSAR. Asymptomatische Bakteriurien sollen weder bei schwangeren noch bei nicht-schwangeren Frauen routinemässig gescreent und behandelt werden. Die asymptomatische Bakteriurie sollte einzig vor urogynäkologischen Eingriffen gesucht und behandelt werden.


In einer Studie zur Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie konnte gezeigt werden, dass unbehandelte Patientinnen weniger Rezidive und bei den nachgewiesenen E. coli eine tiefere Resistenzrate aufwiesen als jene mit asymptomatischer Bakteriurie, welche mit Antibiotika behandelt wurden. Ausserdem können Schwangerschaftskomplikationen (v. a. Frühgeburt) mittels Behandlung einer asymptomatischen Bakteriurie nicht vermieden werden.

 

Referenzen:

1. Expertenbrief SGGG No 58.
2. Gupta K, Hooton TM, Naber KG, Wullt B, Colgan R, Miller LG, et al. International clinical practice guidelines for the treatment of acute uncomplicated cystitis and pyelonephritis in women: A 2010 update by the Infectious Diseases Society of America and the European Society for Microbiology and Infectious Diseases. Clinical infectious diseases: an official publication of the Infectious Diseases Society of America. 2011;52(5):e103-20.
3. Cai T, Mazzoli S, Mondaini N, Meacci F, Nesi G, D'Elia C, et al. The role of asymptomatic bacteriuria in young women with recurrent urinary tract infections: to treat or not to treat? Clinical infectious diseases: an official publication of the Infectious Diseases Society of America. 2012;55(6):771-7.
4. Koves B, Cai T, Veeratterapillay R, Pickard R, Seisen T, Lam TB, et al. Benefits and Harms of Treatment of Asymptomatic Bacteriuria: A Systematic Review and Meta-analysis by the European Association of Urology Urological Infection Guidelines Panel. European urology. 2017;72(6):865-8.

2) Kein jährlicher zytologischer Abstrich im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Kontrollen.

 

Keine andere Krebserkrankung kann durch eine Vorsorgeuntersuchung so effektiv verhindert werden wie der Gebärmutterhalskrebs. Lange wurde ein jährlicher zytologischer Abstrich (sog. «Pap-Abstrich») empfohlen. Die neusten Forschungsergebnisse zeigen aber, dass ein Zeitintervall von 3 Jahren zwischen den Screeninguntersuchungen im Alter von 21 bis 70 Jahren genügt. Ein längerer Abstand kann durch Studien nicht unterstützt werden – ebenso wenig ein kürzeres Intervall als alle 3 Jahre, da es dadurch zu möglicher Übertherapie mit Folgen wie psychischem Stress, vaginaler Blutung, Infektion und ungünstigem Schwangerschaftsverlauf kommen kann.
 

Referenzen:

1. Expertenbrief SGGG No 50.
2. IARC Working Group on the Evaluation of Cancer Preventive Strategies. IARC handbooks of cancer prevention, Volume 10: Cervix cancer screening. Lyon: IARC Press, 2005.
3. Nicer.org [Internet]. NICER-National Institute for Cancer Epidemiology and Registration. Erhältlich über: www.nicer.org/NicerReportFiles2018/DE/report/atlas.html.
4. Zwahlen M. Nationales Krebsprogramm für die Schweiz 2011–2015 – Früherkennung. [Internet].
5. Melnikow J, T Henderson JT, Burda BU, Senger CA, Durbin S, Weyrich MS. Screening for Cervical Cancer With High-Risk Human Papillomavirus Testing. Updated Evidence Report and Systematic Review for the US Preventive Services Task Force. JAMA. 2018;320(7):687–705.
6. Curry, SJ. Screening for Cervical Cancer US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2018;320(7):674–86.
7. Frey Tirry B, Petignat P, Jacot-Guillarmod M, Mueller MD, Mathias Fehr M, Kind AB. Empfehlungen für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge. Expertenbrief No 50. SGGG. [Internet] 1.3.2018.
8. von Karsa L, Arbyn M, De Vuyst H, Dillner J, Dillner L, Franceschi S, et al. European guidelines for quality assurance in cervical cancer screening. Summary of the supplements on HPV screening and vaccination. Papillomavirus Research. 2015;1:22–31.
9. WHO: Screening for various cancers [Internet]. Erhältlich über: www.who.int/cancer/detection/variouscancer/en/. WHO: Screening for various cancers.

3) Keine routinemässigen Hormonabklärungen bei menopausalen Beschwerden.

 

Bei klinisch anhand von Symptomen und Amenorrhö diagnostizierter Menopause erübrigen sich Hormonspiegel. Hormonspiegel sollen erst zugezogen werden, wenn die Diagnose im Zweifel steht oder bei Nichtansprechen der Symptome auf Hormontherapie in der üblichen Dosierung zur Verifizierung der Absorption.

 

Referenzen:

Expertenbrief SGGG No. 42.

4) Keine unbegründete Behandlung von Myomen oder Gebärmutterentfernung wegen Myomen.

 

Uterine Myome sind sehr häufig und betreffen bis 70 % der Frauen im Alter von 50 Jahren. Nur 20–50 % der Myome sind symptomatisch und bedürfen einer Therapie. Die Therapie muss auf einer individuellen Basis beruhen unter Berücksichtigung der Symptome, der Lebensphase der Frau und eines allfälligen Kinderwunsches. Asymptomatische Myome bedürfen keiner Therapie, da das Risiko einer malignen Entartung äusserst gering ist und die Frauen bei fehlender Symptomatik keine Hysterektomie benötigen.

 

Referenzen:

SOGC Clinical Practice Guideline No 318, February 2015, J Obstet Gynaecol Can 2015;37(2):157-178.

5) Keine operative Entfernung harmloser Ovarialzysten ohne akute Beschwerden.

 

Wenn keine Beschwerden bestehen, sollten harmlose Ovarialzysten, die bei einer Ultraschalluntersuchung entdeckt werden, nicht operativ entfernt werden. Die Einteilung der Ovarialcysten in benigne/harmlos, suspekt und maligne sollte nach den IOTA-Kriterien (International Ovarian Tumor Analysis) erfolgen.

 

Referenzen:

1. www.iotagroup.org/publications
2. Nohuz E, De Simone L, Chêne G. Reliability of IOTA score and ADNEX model in the screening of ovarian malignancy in postmenopausal women. J Gynecol Obstet Hum Reprod. 2019 Feb;48(2):103-107. doi: 10.1016/j.jogoh.2018.04.012. Epub 2018 Apr 28.
3. Virgilio BA, De Blasis I, Sladkevicius P, Moro F, Zannoni GF, Arciuolo D, Mascilini F, Ciccarone F, Timmerman D, Fruscio R, Van Holsbeke C, Franchi D, Epstein E, Leone FPG, Guerriero S, Czekierdowski A, Scambia G, Testa AC, Valentin L. Imaging of gynecological disease: clinical and ultrasound characteristics of serous cystadenofibromas in the adnexa.Ultrasound Obstet Gynecol. 2019 Apr 1. doi: 10.1002/uog.20277. [Epub ahead of print]
4. Valentin L1, Ameye L, Franchi D, Guerriero S, Jurkovic D, Savelli L, Fischerova D, Lissoni A, Van Holsbeke C, Fruscio R, Van Huffel S, Testa A, Timmerman D. Risk of malignancy in unilocular cysts: a study of 1148 adnexal masses classified as unilocular cysts at transvaginal ultrasound and review of the literature.Ultrasound Obstet Gynecol. 2013 Jan;41(1):80-9. doi: 10.1002/uog.12308. Epub 2012 Dec 17.


Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)

www.sggg.ch

Zur Entstehung dieser Liste

 

Angeregt durch die Publikationen anderer Fachgesellschaften, hat der Vorstand der SGGG anfangs 2018 ihrer Kommission für Qualitätssicherung (QSK) den Auftrag gegeben eine Top-5-Liste für die Gynäkologie und Geburtshilfe zu erstellen. Sämtliche eingereichten Punkte wurden evaluiert und in mehreren Vernehmlassungsschritten zwischen Vorstand und QSK auf fünf reduziert. Im Anschluss haben die Mitglieder der QSK alle Punkte mit entsprechender Evidenz hinterlegt. Bei der vorliegenden Top-5-Liste handelt es sich um 5 gynäkologische Themen. Es wurden keine Themen aus der Geburtshilfe aufgegriffen, diese könnten aber Gegenstand einer späteren Liste sein.